Röntgenbilder und Zeichnungen jüdischer Kinder sind jetzt Weltdokumentenerbe

Die Hände von Wilhelm Conrad Röntgen und seiner Frau Anna Bertha gehören jetzt zum Weltdokumentenerbe.

Kunst – Der weltberühmte Wissenschaftler aus Lennep, heute ein Stadtteil von Remscheid, hat die Röntgenbilder selbst angefertigt, die jetzt zum UNESCO Weltdokumentenerbe werden. Die Aufnahmen gehören zu einem Fotoschatz von 220 Bildern im Archiv des Deutschen Röntgen-Museums. Neben den Röntgenbildern der Hände werden auch Aufnahmen seines Jagdgewehrs auf Antrag des Museumsarchivs im Weltdokumentenerbe der UNESCO gelistet.

Neben den Röntgenbildern wird auch eine Sammlung von 1900 Zeichnungen jüdischer Schülerinnen und Schüler im Düsseldorfer Stadtmuseum Teil des Welterbes. Die Sammlung hat der Künstler und Kunstpädagoge Julo Levin zusammengetragen, der 1943 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde. Die Sammlung ist nun neben 16 weiteren Sammlungen Teil des internationalen Weltdokumentenerbes „Zeichnungen und Schriften von Kindern und Jugendlichen in Kriegszeiten in Europa 1914-1950“, das auf Antrag Frankreichs aufgenommen wurde.

Kulturministerin Ina Brandes: „Mit dem Weltdokumentenerbe verhält es sich wie mit jedem Erbstück: Es ist ein kostbarer Schatz, den wir pflegen und in Ehren halten sollten. Das gilt sowohl für die Errungenschaften von Wilhelm Conrad Röntgen für die moderne Medizin als auch für berührende Zeichnungen jüdischer Schülerinnen und Schüler, die sich mit den Nazi-Gräueln auseinandersetzen. Die Aufnahme in das Verzeichnis der Weltdokumentenerbe ist Ausdruck unserer Wertschätzung und zugleich Auftrag, die Erinnerung an das Erbe wach zu halten.“

Das Weltdokumentenerbe wurde 1992 von der UNESCO im Rahmen des Programms „Memory of the World“ ins Leben gerufen. Es soll kulturell bedeutsame und historische Dokumente sichern und vor Zerstörung und Vergessen bewahren. Deutschland ist bislang mit 31 Einträgen vertreten, darunter die Gutenberg-Bibel, Beethovens 9. Sinfonie, die Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm, Goethes literarischer Nachlass und das Nibelungenlied.

Die nun neu ins Weltdokumentenerbe aufgenommenen Röntgenaufnahmen dokumentieren die beiden wichtigen Anwendungsbereiche der Röntgenstrahlen in der Medizin und den Materialwissenschaften. Wilhelm Conrad Röntgen (geboren am 27. März 1845) war leidenschaftlicher Amateurfotograf, davon zeugen mehrere tausend Fotografien im Archiv des Museums. Diesem Hobby verdankte er letztlich die Entdeckung der Röntgenstrahlen 1895. Die Speicherung der Aufnahmen auf Fotoplatten machte seine Entdeckung dauerhaft sichtbar – dies trug dazu bei, dass sie sich so rasant verbreitete und weiterentwickelte.

Julo Levin schloss 1926 sein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie ab, konnte jedoch im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten ab 1933 nicht mehr als freier Künstler arbeiten. Ab 1936 verdiente er an jüdischen Schulen in Düsseldorf und Berlin als Zeichenlehrer sein Geld. Aus künstlerischem und kunstpädagogischem Interesse sammelte er die Zeichnungen und Bilder seiner Schülerinnen und Schüler. Das Düsseldorfer Stadtmuseum erwarb in den 1980er Jahren die Sammlung aus verschiedenen Quellen. Sie ist ein einzigartiges Dokument deutsch-jüdischer Geschichte aus der Zeit des Nationalsozialismus. Die Sammlung von Julo Levin ist neben Zeichnungen aus Beständen in Hamburg, Bensheim, Saarbrücken und Nürnberg nun Teil des Weltdokumentenerbes „Zeichnungen und Schriften von Kindern und Jugendlichen in Kriegszeiten in Europa 1914-1950“; weitere Verwahrstellen befinden sich in Frankreich, Kanada, Polen, Spanien, Tschechien, der Schweiz sowie im Vereinigten Königreich.

Das Land Nordrhein-Westfalen fördert im Rahmen seiner Landesstelle für immaterielles Kulturerbe Nordrhein-Westfalen auch die Suche nach kulturell bedeutsamen und historischen Dokumenten für das Internationale UNESCO-Register „Memory of the World“. Die Landesstelle begleitet die Anträge zur Einreichung bei der Deutschen UNESCO-Kommission bis zum erfolgreichen Abschluss.

Das UNESCO-Programm umfasst neben dem Weltdokumentenerbe das Weltkulturerbe (Denkmäler, Ensembles und Stätten) und das Weltnaturerbe (Naturgebilde, geologische Erscheinungen und Naturstätten) sowie das immaterielle Kulturerbe (Traditionen, Rituale, Handwerkskünste). (opm)

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