Es war kein Abend für Nostalgiker. Keine weichgespülte Reise durch die goldenen Jahre des Rock. Was Iggy Pop gestern im Tanzbrunnen ablieferte, war eine unmittelbare Konfrontation – mit der Geschichte, mit dem Alter, mit der eigenen Belastbarkeit. Und am Ende war klar: Der Punk lebt nicht in der Vergangenheit. Er lebt in einem drahtigen Mann, der sich weigert, jemals leise zu werden.
Von KM-Redakteurin Sabrina Köhler
Musik – Ohne Vorwarnung war er da – Iggy Pop, der aussah wie frisch aus einem Orkan gezogen. „Five Foot One“ als Einstieg war keine Begrüßung, sondern ein Warnschuss. Schon beim dritten Song flogen erste Becher, nicht aus Wut, sondern aus zu viel Gefühl. Wer in den vorderen Reihen stand, schwitzte und vibrierte mit einem Mann, der die Bühne nicht betritt – sondern besetzt, bespielt, beschreit.

Natürlich war „The Passenger“ dabei. Natürlich kam „Lust for Life“. Aber sie klangen nicht wie Pflichteinträge in einer Greatest-Hits-Revue. Sie klangen wie Frischware – geladen mit einer Dringlichkeit, die jeden Altersunterschied irrelevant machte. Die neuen Songs? Wild, laut, brennend. Besonders „Neo Punk“ und „Modern Day Ripoff“ wirkten wie Granaten, die unter der Fassade des modernen Popmusikbetriebs hochgingen.
Die Band war scharf wie ein Skalpell. Kein überflüssiges Solo, kein Anflug von Vintage-Romantik – nur knallharte Akkorde, fiese Bassläufe und ein Schlagzeuger, der mit chirurgischer Präzision auf Zerstörung hinarbeitete. Iggy Pop brauchte keine Showeffekte. Der Effekt war er selbst. Seine Bewegungen: instinktiv, raubtierhaft, manchmal grotesk. Und doch – oder gerade deshalb – absolut echt.
Der Tanzbrunnen war voll. Und doch fühlte es sich nicht an wie ein Clubkonzert mit Platzangst. Menschen lagen sich in den Armen, schrien sich Songzeilen ins Gesicht, tanzten wie in Trance. Niemand hatte das Gefühl, einem „Altmeister“ zuzuschauen. Vielmehr: einem anarchischen Moment beizuwohnen, der jederzeit kippen könnte. Nur tat er es nicht. Er explodierte – kontrolliert, mächtig, unvergesslich.
Iggy Pop braucht keine Ironie, keinen Altersbonus, kein Pathos. Er ist einfach da – wütend, vital, unverbesserlich lebendig. Kein Abziehbild, kein Rockstar mit Anekdoten. Sondern ein Typ, der auf die Bühne geht, als hinge sein Leben davon ab. Vielleicht tut es das sogar. Am Ende: keine Zugaben, keine Tränen. Nur Stille. Dann war er weg. Kein großes Finale, kein Applausorkan, den er künstlich herausforderte. Er drehte sich um, verschwand – und hinterließ ein Feld aus erschöpften, berauschten, selig zerzausten Menschen. Iggy Pop hat Köln nicht besucht. Er hat es durchgeschüttelt. Was bleibt, ist das Gefühl, etwas Reines erlebt zu haben: Rockmusik ohne Filter, ohne Kalkül – einfach nur Wahrheit im Lautstärkeformat. (sk)
